Biozidprodukte bek?mpfen tierische Sch?dlinge und L?stlinge, aber auch Algen, Pilze oder Bakterien. Sie werden in vielen Bereichen eingesetzt, etwa als Desinfektionsmittel und Holzschutzmittel bis hin zum Mückenspray und Ameisengift. Biozidwirkstoffe k?nnen auch potenziell gef?hrlich für die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier sein.
Die Europ?ische Union (EU) hat 160 Wirkstoffe für die Verwendung in Biozidprodukten genehmigt (Stand 03/2020). Es gibt zahlreiche weitere Wirkstoffe, die als Altstoffe noch auf dem Markt sind und zurzeit überprüft werden. Neustoffe befinden sich ebenfalls im Prüfverfahren.
Wie gro? die auf dem Markt befindlichen Biozidmengen sind, war lange unbekannt. Im Auftrag der Europ?ischen Kommission erfasste die Europ?ische Chemikalienagentur (ECHA) im Jahr 2009 einmalig die Herstellungs- und Einfuhrmengen für alle gemeldeten Biozidwirkstoffe. Danach wurden insgesamt knapp 400.000 Tonnen an Biozidwirkstoffen in der Europ?ischen Union (EU) hergestellt oder in diese eingeführt (siehe Abb. ?Produktion/Import von Bioziden nach Produktarten in der Europ?ischen Union“). Die rein mengenm??ig gr??te Hauptgruppe von Bioziden (rund die H?lfte der Menge aller Biozidwirkstoffe) sind die Desinfektionsmittel und Algenbek?mpfungsmittel, die in den Produktarten 1 bis 5 zusammengefasst sind.
Produktion/Import von Bioziden nach Produktarten in der Europ?ischen Union Quelle: COWIDiagramm als PDF
Für Hersteller gibt es bisher keine Meldepflicht über die Menge der jeweiligen Biozidprodukte, die sie in Deutschland verkaufen oder ins Ausland ausführen. Daher ist derzeit nicht bekannt, welche Mengen an Bioziden in Deutschland hergestellt oder verbraucht werden.
Einen Anhaltspunkt gibt allerdings die Anzahl der gemeldeten Biozidprodukte auf dem deutschen Markt. Die Hersteller müssen der Bundesstelle für Chemikalien (BfC) melden, welche Biozidprodukte sie in Deutschland verkaufen. Die Bundesstelle gibt j?hrlich bekannt, welche Biozidprodukte aus welcher der 22 Produktarten auf dem deutschen Markt erh?ltlich sein dürfen. So waren im April 2020 etwas mehr als 70.000 Biozidprodukte erh?ltlich. (siehe Abb. ?Gemeldete Biozid-Produkte nach Biozid-Meldeverordnung“). Da Biozidprodukte, die nicht mehr vermarktet werden, jedoch nicht bei der Bundesstelle abgemeldet werden müssen, ist die Zahl der tats?chlich in Deutschland erh?ltlichen Biozidprodukte vermutlich niedriger.
Gemeldete Biozid-Produkte nach Biozid-Meldeverordnung Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und ArbeitsmedizinDiagramm als PDF
Biozidwirkstoffe sind dazu bestimmt, sogenannte Schadorganismen zu t?ten oder zu vertreiben, wirken sich jedoch h?ufig auch auf andere, sogenannte Nicht-Zielorganismen aus, und k?nnen deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ungewollte Wirkungen in der Umwelt entfalten. Die Anwendungsbereiche für Biozidprodukte sind zahlreich. Die Palette der Anwendungen reicht von Desinfektions- und Materialschutzmitteln über Mittel zur Bek?mpfung von Nagetieren (Rodentizide) und Insekten (Insektizide) bis hin zu Schiffsanstrichen (Antifouling). Insgesamt werden 22 Produktarten (PT) unterschieden. Aufgrund der unterschiedlichen Anwendungsbereiche kommt es zu vielf?ltigen Eintr?gen von Biozidwirkstoffen oder ihren Abbauprodukten in die Umwelt. Sowohl direkte als auch indirekte Eintr?ge, wie zum Beispiel über Kl?ranlagen, sind m?glich und k?nnen alle Umweltkompartimente wie Oberfl?chengew?sser, Meeresgew?sser, Grundwasser, Sedimente, B?den oder die Atmosph?re betreffen (siehe Abb. ?Eintragspfade von Bioziden in die Umwelt“).
Eintragspfade von Bioziden in die Umwelt Quelle: Umweltbundesamt
Untersuchungen von Bioziden in der Umwelt
Biozide Wirkstoffe sind erst seit kurzer Zeit im Fokus der ?ffentlichkeit und werden daher deutlich seltener als zum Beispiel Pflanzenschutzmittel von den überwachungsprogrammen der Bundesl?nder erfasst. Einzelne Untersuchungen belegen aber, dass sich auch diese Wirkstoffe in der Umwelt wiederfinden lassen. So wurde beispielsweise die Konzentration des Antifouling-Wirkstoffes Cybutryn (Irgarol?) im Sommer 2013 in 50 deutschen Sportbooth?fen untersucht. In 35 der 50 Sportbooth?fen lagen die gemessenen Konzentrationen über der Umweltqualit?tsnorm von 0,0025 Mikrogramm pro Liter (μg/l), welche die EU-Richtlinie 2013/39/EU vorschreibt. Dieser Wert darf als Jahresdurchschnittskonzentration nicht überschritten werden. An fünf Standorten übertrafen die Konzentrationen sogar die zul?ssige H?chstkonzentration von 0,016 μg/l (siehe Abb. ?Cybutryn-Konzentrationen in Sportbooth?fen“). Au?erdem wurden in einem Monitoring in der Flie?- und Stillgew?ssersimulationsanlage des Umweltbundesamtes ?kotoxikologische Wirkungen auf im Binnengew?sser lebende Wasserpflanzen und Kleinstlebewesen nachgewiesen. Aufgrund von diesen unannehmbaren Umweltrisiken ist Cybutryn als Antifouling-Wirkstoff seit dem 31. Januar 2017 nicht mehr in der EU verkehrsf?hig, darf also nicht mehr gehandelt und verkauft werden.
Cybutryn-Konzentrationen in Sportbooth?fen Quelle: UmweltbundesamtDiagramm als PDF
Fallbeispiel Biozide: Bek?mpfung von Ratten und M?usen mit giftigen Fra?k?dern
Auch die in Nagetierbek?mpfungsmitteln (Rodentizide) meistens enthaltenen blutgerinnungshemmenden Wirkstoffe (Antikoagulanzien) werden h?ufig in der Umwelt, insbesondere in Wildtieren nachgewiesen.
In einer vom Julius-Kühn-Institut im Auftrag des UBA durchgeführten Untersuchung wurden erstmalig in Deutschland systematisch Rückst?nde von Antikoagulanzien in wildlebenden Tieren untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl in verschiedenen Kleins?ugerarten (zum Beispiel Wald- und Spitzm?usen, die nicht Ziel der Bek?mpfung und teilweise besonders geschützte Arten sind) als auch in Eulen und Greifv?geln (vor allem M?usebussarden) Rückst?nde von Antikoagulanzien nachweisbar sind (Geduhn et al. 2016). Auch wurden in 61 % von insgesamt 265 untersuchten Leberproben von Füchsen Rückst?nde von Antikoagulanzien gefunden (Geduhn et al. 2015).
Auch aquatische Organismen sind mit Antikoagulanzien belastet. So wurden kürzlich Rückst?nde von Rodentiziden in Deutschland erstmalig in Fischen nachgewiesen (Kotthoff et al. 2018). Im Rahmen einer vom UBA in Auftrag gegebenen Untersuchung durch das Fraunhofer Institut für Molekulare Biologie und Angewandte ?kologie wurden Leberproben von Brassen (Abramis brama) aus den gr??ten Flüssen in Deutschland – darunter Donau, Elbe und Rhein – sowie aus zwei Seen untersucht. In allen Fischen der bundesweit 16 untersuchten Flie?gew?sser-Standorte im Jahr 2015 wurde mindestens ein Antikoagulans der 2. Generation nachgewiesen. Lediglich in Proben von Fischen aus den beiden Seen wurde keine Belastung mit Antikoagulanzien festgestellt. In fast 90 % der 18 untersuchten Fischleberproben wurde Brodifacoum mit einem H?chstgehalt von 12,5 μg/kg Nassgewicht nachgewiesen. Difenacoum und Bromadiolon kamen in 44 bzw. 17 % der Proben vor (siehe Abb. ?Rodentizide in Fischen“). In einer von der Bundesanstalt für Gew?sserkunde (BfG) durchgeführten Studie konnte der Einsatz von giftigen K?dern zur Bek?mpfung von Wanderratten in der Kanalisation als eine Haupteintragsquelle von Rodentiziden in Gew?sser ausgemacht werden (Regnery et al. 2019).
Die weitr?umige Belastung von Wildtieren mit Antikoagulanzien ist vor allem auf die für die Umwelt sehr problematischen Eigenschaften dieser Wirkstoffe zurückzuführen. Die meisten dieser Substanzen sind sogenannte PBT-Stoffe, das hei?t, sie werden in der Umwelt nur schlecht abgebaut (P = persistent), besitzen ein hohes Potential zur Anreicherung in anderen Lebewesen (B = bioakkumulierend) und sind zudem giftig (T = toxisch) (Umweltbundesamt 2019).
Das Umweltbundesamt (UBA) bewertet bei der gesetzlichen Stoffprüfung von Bioziden wie diese Stoffe auf die Umwelt wirken. Das UBA führt dabei in der Regel keine eigenen Untersuchungen durch. Es prüft die von Antragstellern eingereichten Daten zu Umweltwirkungen und bewertet dann die Risiken für die Umwelt. Die gesetzlichen Stoffregelungen geben vor, welche Informationen und Testergebnisse Unternehmen, die ein Biozid auf den Markt bringen wollen, für eine Umweltprüfung vorlegen müssen (siehe Tab. ?überblick zu den Testanforderungen in den Stoffregelungen: Biozide“).
Auf der Internetseite der Europ?ischen Kommission kann jeder die Bewertungsberichte für biozide Wirkstoffe einsehen, welche in die Unionsliste der genehmigten Wirkstoffe aufgenommen wurden.
Mohr, S., Berghahn, R., Mailahn, W., Schmiediche, R., Feibicke, M., Schmidt, R. (2009): Toxic and accumulative potential of the antifouling biocide and TBT successor Irgarol on freshwater macrophytes – a pond mesocosm study. Environ. Sci. Technol. 43, 6838-6843.
Mohr, S., Schr?der, H., Feibicke, M., Berghahn, R., Arp, W., Nicklisch, A. (2008): Long-term effects of the antifouling booster biocide Irgarol 1051 on periphyton, plankton and ecosystem function in freshwater pond mesocosms. Aquatic Toxicology 90, 109-120.
?Für Mensch und Umwelt″ ist der Leitspruch des UBA und bringt auf den Punkt, wofür wir da sind. In diesem Video geben wir Einblick in unsere Arbeit.
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